Vogelperspektive
Von Edith Payer (*1975 in Wolfsberg/Lavanttal, lebt in Wien und Redlschlag
Als der Komponist und ehemalige Hofkapellmeister der Fürsten Esterházy Joseph Haydn 1809 in Wien verstarb, gehörte zu seiner Verlassenschaft auch sein beliebtester Schüler: ein Kongo-Graupapagei. Haydn hatte ihn von seinen überaus erfolgreichen London-Reisen in den 1790er-Jahren mitgebracht und hielt ihn in seinem Wiener Haus in einem kleinen Käfig aus Blech. Da der Papagei sehr sprachbegabt war und zudem zahlreiche Melodien Haydns pfeifen konnte, war der Vogel so berühmt, dass er bei der Nachlassauktion den sagenhaften Preis von 1.415 Gulden erzielte – mehr als Haydn einst für sein ganzes Haus bezahlt hatte.

Der erstaunliche Umstand, dass neben Haydn viele andere Opern-Komponisten wie zum Beispiel Wolfgang Amadeus Mozart, Richard Wagner, Guiseppe Verdi und Gioachino Rossini einen Vogel hielten, dem sie ihre Melodien beibrachten, motivierte die Künstlerin Edith Payer zu der fünfteiligen Werkserie „Vogelperspektive“. Die Reihe besteht aus auf Stoff gedruckten Bildcollagen, in denen die Künstlerin historische Porträts dieser Komponisten jeweils mit Vogelköpfen versah. Die gewählten Bildhintergründe wiederum beziehen sich meist auf Bühnenbilder ihrer Opern. So scheint der Verdi-Papagei in einer Szene aus „Aida“ zu stehen, Wagner vor dem Schiff des „fliegenden Holländers“ und Mozart vor dem Schinkel‘schen Prospekt der Sternenhalle aus „Die Zauberflöte“. Auch in den wissenschaftlichen Werktiteln (zum Beispiel „Anodorhynchus hyacinthinus Verdis“ oder „Sturnus vulgaris Amadeii“) sind Mensch und Vogel miteinander verschmolzen.
