Im Schatten einer Wunderkammer

von Hugo Canoilas (*1977 in Lissabon, lebt in Wien)



Gut beleuchtet wechseln sich auf der oberen Regalebene schwarze Kleinskulpturen mit gerahmten Bildern ab. Bei den Skulpturen handelt es sich um Keramiken, bei den Bildern um Lithografien. Beide Werkserien beziehen sich auf Objektgruppen, die der Künstler Hugo Canoilas in der Schatzkammer auf Burg Forchtenstein für sich entdeckt hat. Zur ersten Objektgruppe gehören eigentümlich geformte Sedimentsteine, die in den Schränken der Schatzkammer mit exotischen Muscheln und Straußeneiern zusammenstehen, die andere Objektgruppe sind hölzerne, mit Leder überzogene Futterale, die einst zum Schutz empfindlicher Objekte maßgefertigt wurden. In der Schatzkammer gibt es einen ganzen Schrank voll mit diesen alten Klapp- oder Etuischatullen.

Installation mit sechs Lithografien und zehn Keramikobjekten, 2025

Für seine Installation in der Wunderkammer VOLIERE hat Hugo Canoilas diese beiden Objektgruppen kunstvoll in andere Materialien übersetzt. So wählte er für die zeichnerische Wiedergabe und Verdichtung der entdeckten Ensembles aus Sedimentsteinen, Muscheln und Eiern beispielsweise die Technik der Lithografie, also ein Flachdruckverfahren, für das man Kalksteinplatten verwendet. Bei der Produktion arbeitete er mit der Steindruckerei Chavanne Pechmann in Apetlon zusammen.

Die Hohlformen der Futterale wiederum übersetzte Canoilas in schwarze Keramiken, die er eigens im Norden Portugals mit dortigen Handwerkern produzierte. Ihre mitunter silbern glänzende Schwärze verdanken die „louça preta de Bisalhães“ einem speziellen Brennverfahren (Reduktionsbrand) in geschlossenen Erdgruben. Es ist ein Verfahren, das zumindest bis ins 16. Jahrhundert zurückreicht.

Gemeinsames Thema beider Werkgruppen ist gleichsam die alte Kunst der alchemistischen Verwandlung, das heißt eine materiell wesensverwandte Transformation von einer Substanz in eine andere. Also zum Beispiel die Umwandlung von einem kompakten Ei in einen Drachen (Dinosaurier oder Vogel). Dazu passt ideal, dass die Steinbrüche von Solnhofen in der Fränkischen Alb nicht nur die feinsten Plattenkalke für die Lithografie liefern, sondern auch als Fossillagerstätte von Weltrang gelten. Besonders alle bisher bekannten Exemplare des als „Urvogel“ bezeichneten Archaeopteryx, eines gefiederten Dinosauriers, wurden in seinen Gruben gefunden.

Fossil des Archaeopteryx lithographica aus dem Oberjura (vor circa 150 Mio, Jahren) Sog. „Londoner Exemplar“ mit gut erhaltenen Federn