Selbständige Musiker und Instrumente

von Katrin Plavčak (*1970 in Gütersloh/D, aufgewachsen in Zeltweg/A, sie lebt als Malerin und Musikerin in Wien)




Das HERBSTGOLD – Festival in Eisenstadt wird regelmäßig von zeitgenössischen Kunstwerken begleitet, die als Auftragswerke der Esterhazy Stiftungen von wechselnden Künstlerinnen und Künstlern in Bezug zum jeweiligen Festivalthema entwickelt werden.

Sechs kolorierte Zeichnungen
und eine Fotografie, gerahmt, 2024

2020 stand das Thema unter dem Thema „Traditionen“ und stellte Haydn, Klassik und die Vielfalt der Musik in den Mittelpunkt. Hierfür platzierte Katrin Plavčak auf dem Vorplatz von Schloss Esterházy eine über sechs Meter hohe pneumatische Skulptur in Form eines großen bunten Papageien mit Perücke auf dem Kopf, der auf einer Basstrommel saß. Auf der einen Seite der Trommel war „Roll Over Haydn“, auf der anderen „Roll Over Beethoven“ zu lesen.

Die Motive für Plavčaks Skulptur waren vielfältig: Einerseits ist auch die Musik eine pneumatische Skulptur, sie verfliegt in der Luft, die sie eben noch mit ihren Schwingungen konturierte. Andererseits griff sie die Eigendynamik von Instrumenten und Bandformationen sowie das Schüler-Lehrer-Verhältnis in der Musikgeschichte auf.

Das letzte war bekanntlich nicht immer einfach: So soll sich Beethoven, der im November 1792 eigens nach Wien gekommen war, um bei Haydn für rund ein Jahr Kompositionsunterricht zu nehmen, darüber beschwert haben, dass sein Lehrer Haydn absolut nichts von ihm lernen wolle. Die Form der Basstrommel wiederum wurde im 18. Jahrhundert über die türkische Janitscharenmusik bekannt. Sowohl Haydn als auch Beethoven nutzten sie wiederholt für wilde Effekte. Richtig populär wurde sie jedoch erst als „Bass Drum“ in der Rockmusik, die ihrerseits die von Haydn populär gemachte Quartettformation weiterführte. Der Schriftzug auf der Trommel paraphrasiert den Song „Roll Over Beethoven“ von Chuck Berry aus dem Jahr 1956, der den musikalischen Generationswechsel weg von der Klassik hin zum Rock ‘n’ Roll thematisiert.

Die Bilderserie „Selbständige Musiker und Instrumente“ verarbeitet die unterschiedlichen Motive der Skulptur weiter. So wird auf einer Zeichnung der Generationenkonflikt zwischen Haydn und Beethoven schon an den Haaren festgemacht: Haydn trug zeitlebens eine akkurate Perücke, während Beethoven nicht zuletzt für seine verstrubbelten Frisur berühmt war. Eine andere Zeichnung zeigt Haydn beim Klavierspiel mit seinem Graupapagei, den er von einer seiner London-Reisen mitgebracht hatte. Der Vogel wurde schließlich sein Lieblingsschüler. Auf einem weiteren Blatt reitet ein kleiner Beethoven-Teufel auf einem Fasan durch die Lüfte. Der krächzende, einst aus Asien eingebürgerte Vogel scheint dabei eine Metapher für das unerhört Neue seiner Musik zu sein. Wieder ein anderes Blatt zeigt die Instrumente eines Streichquartetts, die sich, lebendig geworden, aneinanderkuscheln und damit die Eigendynamik und Eigenästhetik jeglichen musikalischen Instruments und Ensembles sinnfällig machen.

Pneumatische Skulptur am Vorplatz von Schloss Esterházy, Herbstgold 2020