Music is sculpted air

Aufstellungsdauer vor Schloss Esterházy: 9. September bis 4. Oktober 2020

Skulpturen fertigt man traditionellerweise aus Stein oder Bronze, also Materialien, denen auch Jahrtausende nicht viel anhaben können. Dadurch haben wir selbst von längst untergegangenen Kulturen der Urgeschichte noch Zeugnisse. Vieles hingegen ist verschwunden: die unterschiedlichen Sprachen und Kleidungsstile, die Sitten und Bräuche, die Tänze und Religionen.

Besonders vergänglich ist Musik. Sie verfliegt in der Luft, die sie eben noch mit ihren Schwingungen erfüllte. Über die Musik früherer Kulturen lässt sich meist nur spekulieren. Dennoch ist Musik auch eine Form von Skulptur. Nur, dass sie bei jedem Konzert neu im Raum erschaffen werden muss. Der US-amerikanische Musiker Franz Zappa hat diese temporäre Bildhauerei wie folgt beschrieben: „Music, in performance, is a type of sculpture. The air in the performance is sculpted into something.”

Die Skulptur, die Katrin Plavčak dieses Jahr für HERBSTGOLD konzipiert hat, passt insofern perfekt zum Musikschwerpunkt des Festivals. Sie besteht, wie Musik, überwiegend aus Luft. In Form gehalten wird sie nur von einem Gebläse und einem geschneiderten Spezialgewebe. Über sechs Meter hoch ist das pneumatische Objekt mit dem Titel „Rochus Pumpernickel“. Ein flexibler Segelmast verhindert, dass es der Wind davonträgt. Plavčak, die vor allem als Malerin und als Musikerin bekannt ist, erläutert: „Mir gefallen bewegliche und instabile Skulpturen, die in Schwingung versetzt werden oder sich von ihrem ursprünglichen Ort wegbewegen können. Die Idee, bei HERBSTGOLD mit einer pneumatischen Form zu arbeiten, habe ich gemeinsam mit Michael Schultes vom Verein „experimonde“ realisiert. Von ihm stammt das technische Know-how für die Skulptur.”

Schalkhaft hat Katrin Plavčak ihre Skulptur auch dem diesjährigen Schwerpunkten Haydn und Beethoven, Traditionen sowie türkische Musik angepasst: Die im Wind wogende Skulptur zeigt einen großen bunten Papagei mit Perücke auf dem Kopf, der wiederum auf einer Basstrommel sitzt, auf der „Roll Over Haydn“ zu lesen ist. Die Referenzen auf das gescheiterte Schüler-Lehrer-Verhältnis von Beethoven/Haydn sind dabei raffiniert verknüpft: Haydn trug zeitlebens eine akkurate Perücke, während Beethoven nicht zuletzt für seine genialisch verstrubbelten Haare berühmt war. Beethoven soll sich angeblich einmal darüber beschwert haben, sein Lehrer Haydn wolle absolut nichts von ihm lernen. Einen Papagei hatte sich Joseph Haydn von seinen London-Reisen in den 1790er Jahren mitgebracht. Haydn unterrichtete ihn mit großer Freude und brachte ihm mehrere seiner Lieder bei. Die Form der Basstrommel wiederum wurde in Europa im 18. Jahrhundert durch die türkische Janitscharenmusik bekannt. Sowohl Haydn als auch Beethoven haben sie wiederholt für wilde Effekte genutzt. Richtig populär wurde die türkische Trommel jedoch erst als „Bass Drum“ in der Rockmusik. Der Schriftzug auf der Trommel paraphrasiert den Song „Roll over Beethoven“ von Chuck Berry aus dem Jahr 1956, der den musikalischen Generationswechsel weg von der Klassik hin zum Rock‘n’Roll thematisiert.

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